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In bestimmten Situationen spielt der zeitliche Rahmen eine untergeordnete Rolle, insbesondere wenn sich ein ehemaliger Mitarbeiter nach seinem Ausscheiden aus einem Unternehmen gegen ein ungerechtfertigtes und schädliches Arbeitszeugnis, das von seinem früheren Vorgesetzten ausgestellt wurde, zur Wehr setzen möchte. Ein aktueller Gerichtsentscheid verdeutlicht diese Thematik.
Ein Beispiel dafür ist ein Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen: 4 Sa 54/22) verhandelt wurde. Selbst zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb hatte ein Mann die Möglichkeit, auf die Überarbeitung eines inakzeptablen Arbeitszeugnisses zu bestehen. Das Gericht argumentierte, dass der Anspruch nicht aufgrund der zeitlichen Dauer, sondern aufgrund des Inhalts gerechtfertigt sei.
In diesem speziellen Fall hatte der Mitarbeiter nach 14 Jahren Betriebszugehörigkeit im März 2019 sein Arbeitsverhältnis selbst beendet, nachdem sein Chef ständig versucht hatte, ihn zu entlassen. Im Juni desselben Jahres wurde das fragliche Arbeitszeugnis ausgestellt. Statt eines wohlwollenden Zeugnisses, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, verwendete der Ex-Chef negative Formulierungen wie "ungenügend" und bescheinigte dem Mitarbeiter eine schwache Leistungsfähigkeit, fehlende Belastbarkeit und mangelnde Integration in das Unternehmen. Der Mann empfand dies als völlig inakzeptabel und forderte über seinen Anwalt eine Neuausstellung des Zeugnisses. Als dies nicht geschah, erhob der Anwalt im Oktober 2019 erneut Einspruch, da das Zeugnis "offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht" und vorsätzlich schädigend sei. Dennoch weigerte sich der Arbeitgeber weiterhin, eine überarbeitete Version auszustellen.
Erst Jahre später, im Oktober 2021, reichte der ehemalige Vertriebsingenieur Klage auf Zeugnisberichtigung ein. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Klage unter Verweis auf die lange Zeit als verwirkt ab. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied jedoch am 31. Mai 2023 anders und gab der Klage statt. Es argumentierte, dass in diesem Fall der zeitliche Aspekt keine Rolle spiele, sondern der Inhalt des Zeugnisses entscheidend sei. Bereits kurz nach Erhalt des Zeugnisses hatte der Mann seine Unzufriedenheit damit geäußert und es als "inakzeptabel" bezeichnet. Das Gericht erkannte zudem eine "sittenwidrige Schädigungsabsicht" des ehemaligen Arbeitgebers, der offenbar versuchte, ein "kündigungsrelevantes Fehlverhalten" des Klägers zu konstruieren. Das Zeugnis war offensichtlich so formuliert, dass es bei zukünftigen Bewerbungen nicht verwendet werden konnte.
Gesetzliche Kriterien gelten auch für das Arbeitszeugnis
Es ist wichtig zu beachten, dass die Erstellung von qualifizierten Arbeitszeugnissen rechtlichen Vorgaben unterliegt, einschließlich des Datums der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Obwohl der ehemalige Chef nicht verpflichtet ist, Dank oder gute Wünsche in das Zeugnis aufzunehmen, darf er diese Passagen nicht nachträglich streichen, wenn der ehemalige Mitarbeiter eine überarbeitete Version des Zeugnisses verlangt. Dies wurde anhand eines Beispiels einer Frau verdeutlicht, deren Chef seine positiven Äußerungen zurückzog, nachdem sie eine Korrektur angefordert hatte.
Arbeitnehmer, die sich ungerecht behandelt fühlen, können rechtliche Schritte in Betracht ziehen, insbesondere wenn ein Arbeitszeugnis ihren beruflichen Ruf schädigt. In einem solchen Fall ist es ratsam, rechtlichen Rat einzuholen und zu prüfen, ob eine Klage vor einem Arbeitsgericht Aussicht auf Erfolg hat. Es ist jedoch zu beachten, dass in Arbeitsgerichtsstreitigkeiten sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber in der ersten Instanz ihre eigenen Anwaltskosten tragen müssen, unabhängig davon, wer den Prozess gewinnt oder verliert. Arbeitnehmer können sich jedoch durch eine entsprechende Privat- und Berufsrechtsschutzversicherung von Finanzkompass Leipzig gegen solche Kosten absichern, sofern der Versicherer eine Deckungszusage erteilt.